Anzüge in gedeckten Farben

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(15. November 2018) Ich trage beruflich einen Anzug. Immer. Dreiteilig mit Fliege. Immer. Grau oder schwarz - und wenn ich mal den Revoluzzer rauslassen will, wenn das Tier in mir sich meldet, dann auch mal dunkelblau. Das ist meine Uniform und mein Markenzeichen und so fühle ich mich sehr wohl. Das bedeutet auch, dass ich in der Gesellschaft anderer Anzugträger keine Probleme und schon gar keine Minderwertigkeitskomplexe habe. Das hilft mir sehr bei meinem Auftritt während einer Partnertagung einer Firma, bei der after hours noch ein wenig Unterhaltung zum networking angeboten werden soll. Also bewege ich mich zwischen den ca. 200 Anzügen hindurch - es handelt sich um eine IT-Firma, da sind Frauen nur in homöopathischen Dosen vorhanden - von einem Bistrotisch zum nächsten in meinem Stresemann-Anzug, der mein Bühnenkostüm ist. Ich merke, dass ich total overdressed bin - also genau richtig, das Publikum merkt:"Aahh, das kommt der Pausenclown ...".
Für mich ist interessant, dass der Wille sich unterhalten zu lassen extrem variiert: Es gibt diejenigen, bei denen es sofort ein großes Hallo gibt und diejenigen, die mein Angebot, sie ihre Gespräche in Ruhe fortsetzen zu lassen, gerne annehmen. So eine Spreizung  habe ich noch nicht erlebt: Entweder waren bei meinen bisherigen Auftritten die meisten Leute willens sich unterhalten zu lassen, oder sie waren einfach nicht auf die angebotene Form der Unterhaltung eingestellt und deshalb etwas mißtrauisch. Nicht so hier: Von offener Ablehnung bis zu spontaner Begeisterung ist alles dabei - wenngleich die anfängliche Skepsis häufig einer späteren Begeisterung weicht.
Ich bin froh, dass ich mir vorher Gedanken über die Auftrittssituation gemacht habe und den Veranstalter auch genau danach befagt habe, denn es sind im Grunde lauter umringte Kleinauftritte - ich hatte nur Sachen mitgebracht, die winkelunabhängig waren oder wo ich mit dem Körper alles abdecken konnte ...
Eines noch: Ich bekomme hin und wieder mal Fragen gestellt wie:"Können Sie auch einen Hasen aus dem Hut zaubern?", "Können Sie meine Frau verschwinden lassen?" oder "Können Sie auch Geld zaubern?" - aber noch nie so häufig, wie bei dieser Veranstaltung! Und übrigens: Die Frager finden diese Fragen immer wieder total witzig und glauben Sie seien die ersten, die darauf kommen ...