Er hat recht, er war es wirklich nicht ...

(26. Januar 2019) Meine Schwägerin ist ein sehr netter Mensch und sie hat sehr nette Nachbarn und die haben einen sehr netten Sohn von zarten sieben Jahren. Der, so hörte ich, habe an einem Zauberkurs teilgenommen und sei vollkommen begeistert. Ob ich mich denn mal mit ihm hinsetzen und ihm einige Empfehlungen geben könne, wie man denn in der Zaubkunst weiterkommen könne? Ja, das tue ich natürlich gerne, man freut sich ja über jeden, der sich der Zauberkunst zuwendet.
So fahre ich denn also voll ausgerüstet und mit der neuen Weste bekleidet zu meiner Schwägerin - und finde einen quirligen Siebenjährigen vor, der den Inhalt eines Zauberkastens vor mir ausbreitet - und in dem Ding ist der übliche Scheißdreck - pardon my french - aus Plastik und Pappe drin. Wenn ich dafür Haare erübrigen könnte, würde ich sie mir gerauft haben! Mit dem Gelumpe kann niemand zaubern lernen - und Kinder schon dreimal nicht: Alles nur one-trick-ponies, irgendwelche Konstrukte, die entweder nur für einen einzigen Effekt von 30 Sekunden Länge taugen oder so billig zusammengehudelt sind, dass man das Trickprinzip sofort erkennt. Ich habe seine ebenfalls anwesenden Eltern nicht danach gefragt, aber ich Wette das Ding hat 50€ gekostet. Ich verstehe nicht, wie irgendjemand damit zaubern lernen können soll - während man für dasselbe Geld eine Menge Bücher antiquarisch erwerben könnte, die einen wirklich auf das richtige Gleis schieben könnten.
Ich erfahre dann noch, dass der Zauberkurs, von dem die Rede war, von der VHS ausgerichtet wurde und da in fünf Unterrichtsstunden etwa sechs Grundschüler "in der Magie" unterwiesen wurden. Ich hatte mir den Kragen grade wieder zugeknöpft, aber als ich das hörte, ist er mir grade noch mal geplatzt. Also, er wäre mir geplatzt, wenn ich mir das vor dem Jungen, seinen Eltern und meiner Schwägerin gestattet hätte. Kinder dieses Alters finden Zaubern absolut faszinierend, sie können es aber selber noch nicht: Dazu fehlt einerseits die Geschicklichkeit und andererseits und vor allem die Fähigkeit, dem Publikum fließend ins Gesicht zu lügen. Das muss man als Zauberer können, nur zu Unterhaltungszwecken natürlich, aber man muss alle Nase lang Dinge sagen, die im Widerspruch stehen zu dem, was man tut - und Kinder sind einfach viel zu sehr mit der Tricktechnik beschäftigt, als dass sie diesem Aspekt noch Aufmerksamkeit schenken könnten. Das hat mit Intelligenz oder "Aufgewecktheit" oder Interesse rein gar nichts zu tun, das kommt nach ein paar Jahren von selbst, aber in dem Alter können Kinder nicht zaubern - Punktum. Ich habe es auf den Webseiten der VHS nachgesehen: Es scheint sich um ein ständiges Angebot zu handeln. Ich frage mich, wer so etwas macht - den Namen des Zauberfreundes habe ich herausgefunden, das ist nicht das Problem, aber was ist seine Motivation? Ich glaube nicht, dass er der Zauberkunst einen Dienst erweist, insbesondere, da ich von der Abschlußvorstellung vor den Eltern gehört habe, dass teilweise die Trickgeheimnisse von Kursteilnehmern enthüllt wurden. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Zauberkunst als Kinderkram angesehen wird ... :-(
</rant> Nach ein paar Hinweisen seine Effekte betreffend, habe ich dann für den Jungen, seine Eltern und die mittlerweile eingetroffene, weitere Nachbarschaft ein paar Nummern gespielt, in der Hoffnung zeigen zu können, dass es neben dem Mist aus dem Zauberkasten auch einigermaßen interessante Zauberkunst mit kleinen Utensilien gibt. Und bei einer Ballnummer fällt dann der Satz des Tages. Ich gebe dem Jungen einen Ball, lasse einen weiteren Ball verschwinden und beide Bälle tauchen in seiner Hand auf. Als er die Faust öffnet und beide Bälle zum Vorschein kommen sagt er in einer Mischung aus Erstaunen und Angst:"Ich war das nicht!" - und das Publikum bricht in tosendes Gelächter aus.