Die Kammer ist ein Palast

(20. Juli 2019) So, das hat jetzt gedauert bis ich diesen Blog-Eintrag hingebracht habe. Ich habe mich damit gequält und tue das, während ich hier schreibe, immer noch. Denn ich bin mit sehr hohen Erwartungen nach New York gefahren, unter anderem, um Steve Cohen (www.chambermagic.com) zu sehen: Er war mir wärmstens empfohlen worden. Nicht dass ich ihn nicht selbst auf der Rechnung gehabt hätte, aber so eine Bestätigung ist natürlich auch ganz schön. Vielleicht kamen zu diesen hohen Erwartungen, das extrem nette Ambiente und der Preis von schlappen 300$ (für zwei Personen), die dafür gesorgt haben, dass der tatsächliche Eindruck letztlich, naja, sagen wir mal: etwas hinter der Erwartung zurückgeblieben ist.
Aber die Fakten zuerst: Steven Cohen hat sich einen Ruf als The Millionaires' Magician erarbeitet, weil er unter anderem viel von gut betuchten Leuten und Prominenten gebucht wird: Also, irgendwas muss der Mann richtig machen und davor habe ich großen Respekt. Nach ein paar Jahren als Hauskünstler im Waldorf Astoria Hotel (das im Moment in einen Apartment-Komplex umgebaut wird), musste er in das Lotte New York Palace (www.lottenypalace.com) umziehen, ein Hotel das auch nicht grade eine drittklassige Absteige ist. Das Ambiente ist genauso gediegen, wie das Bühnenkostüm des Herrn Cohen und die Kleidung der Zuschauer, denn die werden auf der Webseite und im Buchungsprozess gefühlte 27 Mal gebeten, aufgefordert und angehalten in Abendgarderobe zu erscheinen. Man sitzt in kleiner Runde - nicht mehr als 40 Leute - und man sitzt nah dran, es ist eine Mischung aus parlour- und close-up-Zauberei.
Und die - die Zauberei - ist solide. Eine Mischung aus klassischer sleight-of-hand-Zauberei und Mentalmagie. Natürlich spielt Herr Cohen Any drink called for - mehrere Zuschauer wählen frei ein Getränk aus und die gewünschten Getränke werden nacheinander aus ein- und demselben Teekessel ausgeschenkt - aber auch so Dinge wie eine Ringverkettung und ein bischen Münzzauberei sind im Programm. Das ist alles sehr gut und flott choreographiert und man merkt die unglaubliche Routine (wenn zum Beispiel der Name "Jasmin" gedanken-zu-lesen ist und Herr Cohen Charlie Parker, Louis Armstrong, Thelonius Monk und weitere Jazz-men herunterrattert - was gemerkt? - Jasmin, Jazz-men?).
So weit, so gut, aber ... Die meisten Kunststücke kann man so oder so ähnlich auch woanders sehen. Das mindert nicht á priori ihren Wert, aber vielleicht hatte ich lauter Nicht-Standard-Sachen wie Any drink called for erwartet und bin an meinen eigenen Erwartungen gescheitert. Wahrscheinlich bin ich sowieso eine arrogante Sau, dass ich mir als kleiner Amateur anmaße, einen renommierten Künstler wie Steve Cohen zu "rezensieren", und so ist dann dieser Blog-Beitrag zu lesen: Bitte selber hingehen und eine eigene Meinung bilden. Meine Frau war begeistert!
Möglicherweise hat mich auch die Lektüre seines Buches "Win the Crowd: Unlock the Secrets of Influence, Charisma, and Showmanship" beeinflusst. In diesem Buch versucht Herr Cohen darzulegen, dass er als Zauberer Methoden für seine Kunst verwendet, die "normalen" Menschen im Umgang mit anderen Menschen im Alltag helfen können. In diesem Bereich traue ich mich eher ein Urteil abzugeben, da ich hier über eigenes Wissen und eigene Erkenntnisse verfüge: Der Versuch misslingt. Einem umfangreichen Kapitel, in dem Herr Cohen ankündigt, was er zu zeigen gedenkt, folgen etliche Kapitel mit Ratschlägen und Übungen für den Umgang mit Menschen, die sich auf zwei Kernaussagen zurückführen lassen: "Einfach mal mutig sein und was probieren" und "Üben, üben, üben". Das ist ein bischen trivial und ein bischen "Tschacka - Du schaffst das!"-Denke. Gewogen und für zu leicht befunden ...