Das rote Pferd kann mich mal!

(7. September 2019) Eben noch sitze ich auf dem Sofa und lese Bücher von Tommy Wonder und Tom Stone, zwei absoluten Koryphäen der Zauberkunst, die sich sehr tiefgehende Gedanken über's Zaubern gemacht haben, über Ablenkung, über die verschiedenen Bedeutungsebenen des Zaubers, über die "Philosophie" hinter all dem.
Dann stehe ich auf dem Eckenheimer Stadtteilfest unter einem nur notdürftig regensicheren Pavillon, alles ist ein wenig klamm und so richtig angenehm warm ist es auch nicht. Mich umringt ein Haufen schreiender Kinder und aus dem Lautsprecher dröhnt der Party- und Karnevalsschlager "Das rote Pferd" - zum vierten Mal an diesem Nachmittag, es werden gefühlt weitere 10 Aufführungen dieses Liedes folgen das einen jeweils einen IQ-Punkt kostet, nur so vom Hören.
Kleiner Einschub: Das rote Pferd bringt mich regelmäßig auf die Palme und zwar nach ganz oben! Die Melodie des Liedes geht auf den Chanson "Mylord" von Édith Piaf zurück und wenn man das weiß, kann man das Lied nicht mehr hören, ohne angesichts der Profanierung dieses Kleinods wütend zu werden. Ich habe mich ja daran gewöhnt, dass sich die Texte von Party- und Karnevalsschlagern auf dem intellektuellen Niveau von Karotten bewegen - und ich hoffe, ich trete damit den Karotten nicht zu nahe. Aber muss es denn unbedingt Mylord im Bum-bum-Rhythmus sein? Ich fürchte, ich kenne die Antwort ...
Zurück zu den - sagen wir mal: Nicht ganz perfekten Auftrittsbedingungen, zu den Umständen, die so gar nicht zu den schönen, wahren und guten Gedanken der vorgenannten Herren passen. Warum mache ich das, habe ich mich gefragt, denn das Schicksal ist ja ein ganz und gar selbst gewähltes: Ich muss das nicht machen. Aber ich bekomme regelmäßig gute Kritiken für meine Auftritte von den Zuschauern  und den "Auftraggebern". Ja, mag sein dass diese Menschen die feinen Details der Wonder'schen und Stone'schen Zauberkunst nicht kennen und nicht würdigen können - weil meine Schwammballnummer diese feinen Details auch nicht transportiert. Und auch die anderen Nummern nicht, die alle zwei Vorteile haben: Sie funktionieren auch für ein Publikum das die Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege hat und es ist nicht allzuviel feingeistige Plauderei gegen laute Musik nötig.
Wenn das dem Publikum gefällt, hat es vielleicht doch seine Daseins-Berechtigung. Und auch wenn das ganz kleines Karo ist, so ist doch auch unter diesen Bedingungen und Umständen schön, Menschen verblüffen und damit unterhalten zu können.

P.S.:
Für alle Zauber-Freunde und -Freundinnen, die das hier lesen: Ich finde ja, dass das eine karitative Komponente hat was ich mache. Ich bediene solche Veranstaltungen, dann müsst ihr es nicht machen ... ;-)